Meine
Gedanken sind teilweise so wirr und konfus, was diese schmerzliche Situation betrifft. Doch ein Gedanke ist ganz klar, nämlich der, alles
ändern zu können, alles ungeschehen zu machen. Sobald mich die Realität
wieder eingeholt hat, weiß ich, dass dieser Gedanke absolut
unrealistisch ist.
Doch welche Gedanken sind realistisch und noch dazu
erträglich???
Wohl einzig die schönen Gedanken, was unsere Nina
anbelangt. Doch kann man etwas Schönes, das nie mehr schön sein wird,
als erträglich und positiv bezeichnen?
Wir vermissen unsere Kleinste so
schrecklich, dass uns die Trauer und Ohnmacht die Sicht oder besser die
Gedanken auf die schönen Erinnerungen an sie teilweise ganz versperrt.
Schöne
Erinnerungen an unsere Süße gibt es en masse, beispielsweise
ihre zuckersüße Art, uns um den Finger zu wickeln oder mit uns zu
kuscheln;
oder
ihr unbeschwertes Lachen, insbesondere wenn es darum ging, selbst was zu
singen (müsst euch nur das Video anschauen);
oder
ihre Tanzlust, die sie beim Weggehen ganz plötzlich überkam, wobei
ihre Bewegungen immer ihre Begleiter und Begleiterinnen trafen und das
solange bis sie selbst am Tanzen waren, einfach ihre Fähigkeit, alle in
ihren Bann zu ziehen;
oder
ihre besondere Vorliebe für Tattoos und Piercings, die sie, obwohl sie
riesengroße Angst vor Spritzen und dergleichen hatte, unbedingt haben
musste, wobei es ihr immer extrem wichtig war, dass der Stein
insbesondere im Bauch auch farblich passte, einfach ihre verrückte Art;
oder
die teilweise äußerst präzise durchdachten Taktiken, das andere
Geschlecht für sich zu gewinnen, einfach ihre lockere und flippige Art;
oder
ihre emotionale Aufregung über Filme, in denen Karrieremütter ihre
Kinder vernachlässigen, einfach ihr Einfühlungsvermögen und ihre
Gedanken über die Welt.
Wessen Wünsch ist es schon, irgendwann mal ein
Vampir zu sein, unsterblich zu sein und die Gedanken anderer Menschen
lesen zu können? Das hat Nina mal in einem Brief geschrieben, und,
neben dem Fallschirmspringen, als einen ihrer zwei größten Wünsche
bezeichnet.
Das mit dem Fallschirmspringen hast du dir erfüllt (was
mich sehr, sehr glücklich macht, da ich weiß, dass du dir diesen
Herzenswunsch trotz deiner kurzen Zeit hier auf der Erde doch noch erfüllen
konntest) und hoffentlich ist der Wunsch unsterblich zu sein in der Welt,
in der du jetzt lebst, auch in Erfüllung gegangen!
Unsere
Nina vollständig zu beschreiben, das geht überhaupt nicht. Dafür gibt
es nicht genug Worte; sie war so besonders, so einzigartig, so verrückt,
so nachdenklich, einfach unbeschreiblich. All das fehlt, wird immer
fehlen...
Wir
sind zwar glücklich, dass wir diese schöne Zeit mit dir hatten, dass
wir dich kennen lernen durften und 20 Jahre mit dir glücklich sein
durften, doch werden wir genau dieses 20. Jahr als den schmerzvollsten
Teil unseres Lebens immer in unseren Herzen tragen,
in der Hoffnung,
dass du jetzt in einer anderen Welt gut aufgehoben bist und
in der
Hoffnung, dich dort eines Tages genauso wieder zu treffen, wie wir dich
hergeben mussten.
Dann können wir alle endlich wieder gemeinsam glücklich
sein, und das für immer,
unsterblich,
wie ein Vampir...
Für
mich warst, bist und bleibst du immer
mein liebes, kleines, süßes
Schwesterherz.
Erinnerungen
an unsere gemeinsame Zeit hier in dieser Welt werden wohl immer mein
Herz sehr, sehr traurig machen. Unsagbar traurig, weil ich meine kleine
Schwester, auf die ich doch eigentlich immer aufpassen wollte und die
ich doch eigentlich immer vor allem beschützen wollte, hergeben musste,
für immer, meine einzige Schwester.
Ein Schutz vor den Grausamkeiten
der Welt, vor dem Tod, der unsere Familie auseinandergerissen hat,
existiert nicht, auch wenn dieser Schutz die einzige Chance auf ein glückliches,
gemeinsames Leben gewesen wäre. Stattdessen gab es am Freitag, den
28.03.2003 eine höhere Macht, das Schicksal, das über dein Leben
entschieden hat, dich ohne Vorwarnung aus dem Leben gerissen hat, dich
ganz allein deinem Unfall überlassen hat,
ganz allein,
kein Schutz von
und vor niemandem...
Nina, ich liebe dich und möchte, dass du wieder
kommst!!!
Das
ist ein Brief, den ich letztes Jahr an Ninas Freund geschrieben habe.
Vielleicht gibt er ja dem einen oder anderen Besucher dieser Seite, der
dasselbe erlebt hat, ein wenig Kraft und Hoffnung.
Nina
lebt in uns weiter, und wir wollen doch nicht, dass es dunkel wird, sie
braucht das Licht.
Natürlich glauben wir jetzt oft, dass es in uns ganz
dunkel ist, dass wir keine Kraft mehr haben, alles sinnlos finden, aber
für Nina muss unser inneres Licht brennen, mal mehr mal weniger.
Es ist
ganz selbstverständlich, dass du dich im Moment oft nach dem Sinn
deines Lebens fragst, was dein Leben jetzt ist.
Ich glaube, dass Leben
immer etwas Besonderes ist, es ist ein Abschnitt, den jeder, der auf
dieser Welt ist, durchläuft bzw. durchlaufen muss. Das Leben kann schön
sein, es kann aber genauso grausam und ungerecht sein, so dass wir uns
ernsthaft nach dem Sinn fragen. Der Sinn für uns sollte jetzt sein,
dass wir für Nina weiterleben, eben in ihrem Sinn, mit ihrer Liebe. Dabei ist die
Hoffnung ganz wichtig und Vertrauen in uns. Hoffnung, dass Nina jetzt
bei uns ist, dass es ihr gut geht, dass wir sie einmal wiedersehen und
wieder berühren können. Um diese Hoffnung aufrechtzuerhalten, müssen
wir natürlich ganz fest daran glauben und viel nachdenken, uns Dinge
ausmalen und vorstellen. Dadurch können wir bestimmt auch Nina
intensiver spüren. Dadurch, dass wir für sie hoffen, lebt sie durch
unsere Hoffnung in uns weiter, weil sie dann weiß, dass wir uns
intensiv mit ihr beschäftigen und ihr somit einen Platz in unseren
Herzen einräumen.
Trotz alledem wünschen wir uns, dass wir alles zurückdrehen
können, doch das können wir nicht. Deswegen müssen wir jetzt auch ein
großes Vertrauen in uns haben, nämlich das Vertrauen, dass wir diese
schwere Zeit überstehen, für unsere Nina.
Eine
Mitschülerin hat uns kurz nach Ninas Tod im Namen der ganzen Klasse
einen sehr lieben Brief geschrieben.
Dies ist ein kleiner Auszug aus dem
Brief, den wir ihr zurückgeschrieben haben.
Wir
stellen uns natürlich oft die Frage, warum gerade Nina uns verlassen
musste.
Doch eine Antwort werden wir wohl niemals bekommen.
Doch
wir hoffen, dass es ihr jetzt gut geht, dass sie ein süßes Engelchen
ist, das von einer auf die andere Wolke hüpft und uns immer sieht, uns
immer begleitet und uns beschützt.
Und wir hoffen natürlich, dass wir
sie irgendwann wiedersehen.
Hoffnung
ist etwas ganz wichtiges in einer solchen Situation, denn ohne Hoffnung
gäbe es auch kein Licht.
Ein Licht, das uns zeigt, dass es niemals
dunkel wird, da es jemanden gibt, der in diesem Licht weiter in uns
lebt,
und das ist Nina.