Wenn
ihr die schönen Augen auf der Startseite oder das unbeschwerte und
fröhliche Lachen des Mädchens auf dem Foto seht, werdet ihr euch
vielleicht denken, dass das ein glückliches, hübsches Mädchen
ist.
Ja, das war sie mal, als sie noch hier bei uns auf der Erde lebte. Jetzt
ist sie nicht mehr bei uns, schon seit über einem Jahr. Ein Jahr, das
so unglaublich lang war, da wir sie die ganze Zeit über nicht knuddeln
konnten, nicht mit ihr reden konnten und ihr Lachen nicht hören
konnten, und doch war dieses Jahr so unglaublich kurz, da es doch oft so
scheint, als ob sie uns erst gestern angelacht hätte, mit uns
gesprochen hätte und sich so verschmust wie sie war (und das im Alter
von 20 Jahren) an uns gekuschelt hätte.
Erst mal zu realisieren, dass sie jetzt nicht mehr bei uns ist und auch
nicht wieder kommen wird, fällt mir sehr, sehr schwer. Eigentlich kann
ich es gar nicht. Ich denke mir so oft, dass sie auf einer langen Reise
ist, und irgendwann wieder zurückkommt, und ich sie wieder umarmen und
knuddeln kann. Wenn ich länger darüber nachdenke, merke ich, dass es
nie mehr so sein wird, jedenfalls nicht in dieser Welt.
In solchen Momenten stelle ich mir dann die Frage, warum gerade sie???
Warum muss eine junge Frau, die ihr ganzes Leben noch vor sich hat, die
noch nicht mal die Schule beendet hat (im Juni 2003 hätte sie ihr
Fachabi in der Tasche gehabt, auf das sie so stolz gewesen wäre)
-ich bin noch stolz auf dich und werde es immer sein!!!!!!!!-,
die so lebenslustig, so verschmust, so temperamentvoll, so voller Elan
und Tatendrang war, aber auch so nachdenklich, belesen und tiefgründig,
im Alter von nur 20 Jahren diese Welt verlassen???
Nicht „nur“ diese Welt, sondern auch ihre Familie und Freunde, die
sie sooo schrecklich vermissen und sich wünschten, dass das alles nie
passiert wäre.
Warum nur???
Das ist vielleicht die wichtigste Frage der Menschheit, die für immer
unbeantwortet bleiben wird; nur unser eigener Tod wird sie uns
vermutlich beantworten. Doch bis dahin, müssen wir lernen, mit diesem
schmerzlichen Verlust zu leben, mal schlechter, mal besser, immer die
ewig unbeantwortete Frage „WARUM???“ im Hinterkopf.
Was geschehen ist?
Nina hatte am 28.03.2003 einen Unfall mit ihrem neuen Roller, vielmehr
dem Roller ihres Freundes. Es geschah nicht weit weg von unserem Haus,
und doch war sie ganz allein, in der schwersten Phase ihres kurzen
Lebens.
Meine Mutter hat mich an diesem besagten Freitag um 19:30 Uhr angerufen,
und mir völlig aufgelöst von einem Unfall erzählt, Ninas Unfall. Sie
könne aber noch nichts Genaues sagen, und würde später anrufen. Als
ich diese Nachricht erhalten habe, habe ich nur noch gezittert und eine
unsagbar große Angst verspürt. Ich habe mich sooo hilflos gefühlt, so
allein. Zu der Zeit studierte ich noch in Österreich, weit weg von zu
Hause, weit weg von meiner Schwester. Es ist schwer zu akzeptieren,
seine eigene Schwester in ihren schwersten Stunden nicht begleiten zu
können, einfach nicht bei ihr zu sein. In der Zeit von 19:30 Uhr bis
1:00 haben mich meine Eltern immer wieder angerufen, um mich über ihren
Zustand zu informieren. Ich weiß noch, als ihre Chancen fünfzig zu
fünfzig standen, und ich so sehr hoffte und gebetet habe (was ich sonst
eher nicht tue), dass sie es schafft und dass ich sie bald besuchen
werde und sie in meine Arme schließen kann, meine süße Kleine.
Ich hatte so sehr gehofft, mit einem Bild in meiner Hand, das ich immer
wieder abküsste, in der Hoffnung, dass es eine Verbindung zwischen uns
gibt., eine Verbindung, die ihr jetzt die Kraft geben würde, weiter zu
leben, bei uns zu bleiben. In dieser Zeit war meine ältere Nachbarin
bei mir, wofür ich ihr sehr, sehr dankbar bin. Die Stunden, die ich
alleine in der Wohnung war, waren schier unerträglich.
Um 22:47 Uhr ist sie gestorben, ganz allein. An einem Leberriss, schwere
innere Verletzungen.
Sogar um 22:47 Uhr habe ich noch diese Hoffnungen gehabt, immer mit
ihrem Foto in den Händen. Die Zeit des Wartens und des Hoffens war am
schlimmsten, immer zwischen Leben und Tod, und doch das Leben näher vor
Augen. Nina war doch noch so jung, sie muss doch leben; sie ist doch
meine Schwester, meine kleine Schwester, die ich doch brauche, immer
brauche.
Gegen ein Uhr erhielt ich den alles entscheidenden Anruf meiner Mutter,
ich weiß noch so genau, wie sie sagte: „Susanne, wir müssen jetzt
stark sein. Nina ist verstorben.“ Diese Worte veränderten alles, nie
mehr wird es so sein wie zuvor. Meine Gefühle in diesem Augenblick
lassen sich eigentlich nicht in Worte fassen; es war der größte
Schmerz, die größte Ohnmacht, die größte Hilflosigkeit, der größte
Schock, den ich je erlebt habe. Mehr möchte ich hierzu auch nicht
schreiben. Ich möchte nur meinem Freund Andi danken, der sich sofort
auf den weiten Weg gemacht hat, und morgens bei mir war. Das werde ich
ihm wohl nie vergessen!!! Und meinem Papa, der mich in dieser Nacht so
oft angerufen hat, und mir das Gefühl gegeben hat, dass ich nicht
allein bin, obwohl er selbst vor lauter Schmerz kaum reden konnte; war
Nina doch so was wie seine „Lieblingstochter“.
Eine ganz besondere Tochter für meine Eltern und eine ganz besondere
Schwester für mich wird Nina immer bleiben.
Warum durften wir nicht länger gemeinsam glücklich sein???
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